Ammar al-Hakim Irakischer Schiitenführer mit geerbter Macht
Die Familie Hakim ist eine von zwei großen schiitischen Dynastien des Irak, die seit Generationen führende Geistliche hervorbringen. Der 38-jährige Ammar al-Hakim, der nach dem Tod seines Vaters Abdul Asis al-Hakim in einer Teheraner Klinik nun auch formell die Führung des Hohen Irakischen Islamischen Rates (SIIC), der größten Partei des Landes, übernimmt, ist zwar auch Theologe, aber vorwiegend politisch und sozial engagiert. Tatsächlich stand er wegen der Krankheit des Vaters schon seit zwei Jahren an der Spitze des SIIC. Ammar al-Hakim trägt den schwarzen Turban des Saied, eines Nachkommen des Propheten Mohammed. Er ist im irakischen Theologen-Zentrum Nadschaf geboren, floh aber schon als Achtjähriger mit seinem Vater ins iranische Exil.
Der Diktator Saddam Hussein hatte der oppositionellen Familie, die er kollektiv als Feinde behandelte, schwer zugesetzt. Sieben Onkel von Ammar, eine Tante und 62 weitere Verwandte vom kleinen Kind bis zum Greis wurden umgebracht. Seine Ausbildung erhielt der Flüchtling deshalb an Privatschulen in Teheran und Ghom. Im Exil gründete sein Onkel, Ayatollah Mohammed Baker al-Hakim, als Vorgänger-Organisation des SIIC den "Hohen Rat für die Islamische Revolution im Irak". In seinen politischen Vorstellungen übernahm dieser schon damals nicht völlig das Modell des großen iranischen Bruders. Nach dem Sturz Saddams und der Rückkehr in die Heimat wurde die "Islamische Revolution" aus dem Namen der Partei gestrichen. Die tritt heute für eine pluralistische Gesellschaft und einen demokratischen Staat ein. Ammar al-Hakim könnte sich vorstellen, dass eine Frau Präsidentin des Irak wird. "Warum nicht? Die irakischen Frauen wären dazu in der Lage", sagte er vor zwei Jahren in einem Interview der Süddeutschen Zeitung.
Ammar al-Hakims wichtigstes Werk ist seine Stiftung "Märtyrer der Kanzel" (Schahid al-Mihrab). Seit ihrer Gründung vor sechs Jahren hat sie ein halbes tausend Moscheen sowie ungezählte Schulen, Waisenhäuser und andere soziale Einrichtungen gegründet. In allen wichtigen Orten des schiitischen Irak hat sie Büros. Die Stiftung vergibt Stipendien, richtet Hochzeiten für Mittellose aus und gibt Starthilfen in bar. "Die Ehe ist der Eckstein beim Bau einer islamischen Gesellschaft", sagte Ammar al-Hakim einmal vor einer Massenhochzeit für eintausend Brautpaare in Nadschaf. Er selber ist verheiratet und Vater von fünf Kindern.
Die andere große Theologen-Familie des Irak neben den Hakim sind die Sadr.
Ihr entstammt der radikal anti-amerikanische Schiitenführer Moktada al-Sadr, der so alt ist wie Ammar al-Hakim und zur Zeit durch ein Studium in Iran geistliche Würden gewinnen will. Moktada hat immer den sofortigen Abzug der Amerikaner gefordert und seine Milizen zeitweilig in den Kampf gegen sie geschickt. Ammar spricht nie von "Besatzung", sondern von "militärischer Präsenz", denn der SIIC hat bis zur Stabilisierung des Irak einen Modus vivendi mit den Amerikanern gefunden. Beauftragte von Hakim und Sadr haben soeben ein Bündnis für die nächste Parlamentswahl geschlossen.
Rudolph Chimelli
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.196, Donnerstag, den 27. August 2009 , Seite 4
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