Wandel durch Härte
 Die US-Strategie für den Umgang mit Iran zeichnet sich ab: Teheran muss
 sich auf großen Druck gefasst machen

 Von Paul-Anton Krüger

 München - Auf den ersten Blick ist die amerikanische Iran-Politik in  diesen Tagen verwirrend: Erst deutete Vizepräsident Joe Biden an, die USA  würden sich einem Angriff Israels auf Irans Atomanlagen nicht in den Weg  stellen. Dann gab sich Außenministerin Hillary Clinton wegen der Unruhen  in Iran pessimistisch, dass Verhandlungen ohne Vorbedingungen mit Teheran  über das Atomprogramm Erfolg zeitigen könnten - obwohl Präsident Barack  Obama doch auf solche Verhandlungen setzt. Clinton brachte gar einen  Verteidigungsschirm für die Verbündeten im Nahen Osten ins Spiel, was in  Israel Spekulationen auslöste, die USA hätten sich schon damit abgefunden,  dass Iran Atomwaffen bauen werde.

 Am Montag hieß es nun, Washington bereite Sanktionen vor, um Iran von  dringend benötigten Treibstoffimporten abzuschneiden, wenn Teheran sich  nicht bis September zu Gesprächen bereitfinde. Und das Militär in  Washington ließ verlauten, eine neue, 13 Tonnen schwere Superbombe zum  Einsatz gegen Bunker werde früher einsatzbereit sein als bislang geplant.  Die für Iran und Nordkorea zuständigen Regionalkommandeure unterstützten  das Vorhaben. Was also will Präsident Barack Obama? Sind die  Versöhnungsgesten schon wieder vergessen?

 Schon frohlocken die (neo-)konservativen Gegner der Annäherung, weil sie  nach dem Wahlbetrug in Iran ihre Vermutung bestätigt sehen, dass mit dem  religiös-messianischen Regime ein Interessensausgleich unmöglich sei.  Obama habe keine taugliche Strategie, kritisierte etwa der frühere  UN-Botschafter John Bolton im Wall Street Journal und redet der  militärischen Option das Wort - durch Israel, nicht durch die USA.

 Dennoch fügen sich die verschiedenen Elemente für eine Iran-Strategie der  US-Regierung zu einem schlüssigen Bild - trotz aller Widersprüche. Dennis  Ross, der vom Außenministerium ins Weiße Haus übergewechselte  Iran-Beauftragte, hat in einem jüngst erschienenen Buch einen "neuen  Hybrid-Ansatz" formuliert - und sich prompt Ärger eingebrockt, weil er das  Rezept öffentlich machte. Ross" Leitlinie scheint jetzt dennoch  offizielles Programm zu sein: Der Diplomat propagiert Annäherung ohne  Vorbedingungen, kombiniert mit politischem Druck bis hin zur Drohung mit  Militärschlägen.

 Nach dieser Lesart würden scharfe Sanktionen im Herbst nicht bedeuten,  dass die Annäherung gescheitert ist. Vielmehr wäre das nur ein logischer  Schritt auf dem Weg zu einer Verhandlungslösung. "Die Logik dieses  Ansatzes besteht darin", schreibt Ross, "dass Iran erkennen muss, dass der  Preis hoch sein wird und auch auf Dauer nicht sinkt, wenn die nukleare  Option weiterverfolgt wird". Zugleich müsse Iran immer der Ausweg von  Verhandlungen offenstehen. Ross geht davon aus, dass das Regime rational  Kosten gegen Nutzen abwägt.

 Ein paar Besonderheiten gilt es gleichwohl zu berücksichtigen: Vor allem  müsse die iranische Führung ihr Gesicht wahren können, selbst wenn sie  einlenke. Einem Gesichtsverlust käme gleich, wenn Teheran kein Uran  anreichern dürfte. Dass Iran letztlich auf die Anreicherung verzichtet,  gilt den meisten Experten allemal als unvorstellbar. Der Ausweg laut Ross:  Iran muss gestattet werden, unter strenger Überwachung Uran anzureichern.  Iran dürfe aber nicht das leichtangereicherte Uran in großen Mengen im  Land lagern, weil es sonst leicht als Ausgangsstoff für Atomwaffen benutzt  werden könnte. Hillary Clinton sagte, Irans Recht auf die zivile Nutzung  der Atomenergie beinhalte nicht "den vollständigen Kreislauf von  Anreicherung und Wiederaufarbeitung unter eigener Kontrolle". Die Betonung  liegt auf den Worten "unter eigener Kontrolle", denn diese Formel lässt  Spielraum: So könnte etwa ein internationales Konsortium auf iranischem  Boden Uran anreichern.

 Ross will zugleich die Europäer, wenn möglich auch Russland und China, für  striktere Strafen gewinnen. Er zielt dabei ebenfalls auf den  Energiesektor, wo Iran verwundbar ist. Die Bundesregierung diskutiert seit  Monaten über einen Beschluss in diese Richtung, auf den sich die USA > berufen könnten. Um die Front im UN-Sicherheitsrat zu schließen, rät Ross  dazu, die zwei wichtigsten US-Verbündeten in der Region einzuspannen:  Israel und Saudi-Arabien. Die Saudis sollten diskret damit drohen,  Investments abzuziehen, was auf China durchaus Eindruck machen dürfte.  Israel dagegen solle klarmachen, dass es sich existenziell bedroht sieht  und vor einem Angriff nicht zurückschrecken werde.

 Auf der strategischen Ebene will Ross den Iranern klarmachen, dass sie  durch Atombomben nicht an Sicherheit gewinnen. Hier erklärt sich Hillary  Clintons Schutzschirm-Äußerung: Wer die nukleare Drohung mit einer  Gegendrohung beantwortet, der neutralisiert sie. Die USA, so die  Ministerin, würden nicht zulassen, dass Iran mit Hilfe von Atomwaffen  Nachbarn einschüchtere oder seinen Machtbereich ausdehne. In Ross"  Blaupause heißt es dazu: Wenn die Iraner sehen, dass "ihre Nachbarn mehr  Waffen von außerhalb erhalten, bessere Fähigkeiten zur  Terrorismus-Bekämpfung, Raketenabwehrsysteme, die in der Lage sind,  iranische Flugkörper abzufangen, und das Versprechen, sie im Falle eines  Angriffs durch Iran zu verteidigen", dann müsse sich Irans Führung fragen,  was sie durch Atomwaffen gewinne.

 Warum aber glauben Ross, Clinton und Co., dass sie mit der Kombination von  Sanktionen, Drohungen und Lockungen Erfolg haben werden? Ross  argumentiert, dass Irans Führung in der Person des Geistlichen Führers Ali  Chamenei im Jahr 2003 selbst Verhandlungen mit den USA gesucht habe,  womöglich weil sie fürchtete, das Schicksal der irakischen Diktatur teilen  zu müssen. Die Bush-Regierung reagierte darauf nicht, weil die  Neokonservativen sich mit ihrer harten Sicht durchsetzten. Sie glaubten,  dass ein Zusammenbruch des Regimes unmittelbar bevorstehe, wenn es schon  eine solch großzügige Offerte mache.

 Ross schlägt nun vor, einen geheimen Kanal zum Geistlichen Führer Ali  Chamenei zu etablieren, um Verhandlungen vorzubereiten, bevor man an die  Öffentlichkeit geht. Obama hat dies offenbar bereits vor der Wahl in Iran  versucht. Auf ein Verhandlungsangebot in einem geheimen Brief habe es aber  nur eine "enttäuschende Antwort" gegeben, heißt es.

 Quelle: Süddeutsche Zeitung
 Nr.178, Mittwoch, den 05. August 2009 , Seite 6

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