Zum Erfolg gezwungen
Von Rudolph Chimelli

Einen Monat nach der dubiosen Präsidentenwahl in Iran gewinnen unangenehme Realitäten die Oberhand. Resignierend erkennt das Fußvolk der Opposition, dass sich eine allzeit gewaltbereite Staatsmacht durch Demonstrationen und grüne Fähnchen nicht verdrängen lässt. Der Westen wiederum muss vorschnelle Hoffnungen begraben, in Teheran umgänglichere Gesprächspartner zu finden als den kratzbürstigen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und seinen Protektor, den geistlichen Führer Ali Chamenei. Ihre Legitimität ist schwer angeschlagen, hohe Kleriker rücken von der politischen Spitze ab. Doch ein Zusammenbruch des Systems steht nicht bevor.

Irans internationales Ansehen ist durch die Wirren nicht stärker geworden. Sogar unter Freunden wie der schiitischen Hisbollah-Bewegung im Libanon oder der sunnitischen Hamas in Palästina zeichnet sich eine gewisse Enttäuschung ab. Für sie war die Islamische Republik bisher eine Art Vorbild. Die Iraker verstecken sich hinter der Formel, der Streit um das Ergebnis der Präsidentenwahl im Nachbarland sei eine "innere Angelegenheit Irans", die sie nichts angehe. Iraks Regierung will auf keinen Fall Chamenei verstimmen, der in allem das letzte Wort hat, auch was Teherans Sachwalter in Bagdad angeht. Viele Iraker finden indessen, Mahmud Ahmadinedschad sei mehr Iraner als Muslim. Ihnen wäre auch deshalb ein anderer Präsident lieber gewesen.

Mehrere Besuche hat der reisefreudige iranische Staatschef in jüngster Zeit absagen müssen. Er konnte nicht, wie vorgesehen, als Gast zum Afrikaner-Gipfel in Libyen und nicht zum Treffen der blockfreien Staaten (deren Organisation es immer noch gibt) in Scharm-el-Scheich. Ferner entfiel eine Tour nach Venezuela, Brasilien, Bolivien und andere südamerikanische Länder. Als sich die Shanghai-Gruppe - ein Zusammenschluss mittelasiatischer Staaten - unmittelbar nach der Wahl, Mitte Juni, im russischen Jekaterinburg traf, empfing der russische Präsident Dmitrij Medwedjew zwar den Pakistaner Asif Ali Sardari und den Afghanen Hamid Karsai zum persönlichen Gespräch, nicht aber Ahmadinedschad. Andere sind vorsichtig. Die Präsidenten der Ukraine und Aserbeidschans warten mit geplanten Besuchen in Teheran. Der Sultan von Oman, traditionell ein Freund aller iranischen Regime, kam nicht selber, sondern schickte seinen Außenminister.

Weil sich Iran als regionale Vormacht versteht, ist die Stimmung der Nachbarn für die Iraner besonders wichtig. Sie wissen, dass ihre erst im Aufbau befindliche Hegemonie latent gefährdet ist. Die Iraner sind Perser in einem nahöstlichen Universum von Arabern, Türken, Paschtunen, Belutschen. Sie sind Schiiten in einem sunnitischen Ozean. Sie fürchten eine Rückkehr der Taliban, ihrer Todfeinde, an die Macht in Afghanistan, und deren möglichen Griff nach den Atomwaffen Pakistans. Ahmadinedschad ist dies stets bewusst, auch wenn er nie davon spricht.

Seinen Landsleuten verheißt Ahmadinedschad derzeit Großes für seine zweite Amtszeit, die viel besser werden soll als die erste: Arbeitsplätze sollen entstehen, Firmen privatisiert und Subventionen effektiver verteilt werden, die Minister sollen tüchtiger sein, die Bürgerrechte besser geschützt. Schon jetzt habe er die Polizei angewiesen, gesellschaftliche Ziele nicht erzwingen zu wollen. Jeder Regierende ist, wie Napoleon sagte, ein Händler mit Hoffnungen, auch Ahmadinedschad. Aber diese Ware wird ihm seine Kundschaft, geplagt von Inflation, Arbeitslosigkeit und Gesinnungsschnüffelei, kaum abnehmen.

Der Präsident und der geistliche Führer, jetzt auf Gedeih und Verderb miteinander verbunden, brauchen einen spektakulären Erfolg. Sie könnten ihn auf einem Gebiet finden, wo er am wenigsten erwartet wird. Schon jetzt droht der Streit um Stimmenzahlen oder die Methoden der Wahlfälschung zu einem Disput von Archivaren zu werden, ohne jede Auswirkung auf die realen Machtverhältnisse. Wenn erst im Ausland die Empörung über das brutale Niederknüppeln der Proteste abgeklungen ist, könnte das Regime über seinen eigenen Schatten springen und die große Versöhnung mit Amerika suchen. Das ist es, was sich die meisten Iraner seit zwanzig Jahren wünschen. Sie wären, im Falle eines Erfolgs, durchaus für das Argument der Konservativen zu gewinnen: Nur wir, die aufrechten Beschützer der nationalen Unabhängigkeit, konnten dies vollbringen, niemals wankelmütige Politiker im Solde des Auslands.

Dass aus dieser Hypothese Wirklichkeit wird, ist nicht einmal unwahrscheinlich. Wenn die Amerikaner den Irak nicht als politisches Chaos-Treibhaus verlassen wollen, werden sie mehr denn je auf das Wohlwollen Teherans angewiesen sein. Präsident Barack Obamas Sprache zu Iran ist wesentlich verhaltener als die mancher Europäer. Bei Ägyptern und Saudis, den bisherigen Favoriten der USA, werden Zeichen der Nervosität erkennbar, dass genau dies geschehen könnte. Unter Iranern aber wären nach einer solchen Wende über Nacht viele Schmerzen vergessen, die ihnen das Regime bereitet hat.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.158, Montag, den 13. Juli 2009 , Seite 4
 


Der Sturz Mossadeghs
Ein folgenreicher Einschnitt in der Geschichte Irans

Stellt man einem gebildeten Iraner die Frage nach der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie, kommt meist als Antwort: "Mossadegh!" Islam und Moderne? "Mossadegh!" Den CIA-Putsch von 1953 gegen den ersten demokratisch gewählten Premierminister Irans vergisst und vergibt das Bürgertum nicht. "Ohne den Putsch wäre uns das Mullah-Regime erspart geblieben", bekam die Rezensentin in Teheran immer wieder zu hören.

Stephen Kinzer, fünfzig Jahre Korrespondent der New York Times, hat sich akribisch mit dem Putsch beschäftigt. Entstanden ist ein spannendes zeitgeschichtliches großes Drama, das auf allen Kraftfeldern der 50er Jahre spielt. Da ist die koloniale Arroganz der Briten, die um ihre märchenhaften Profitmargen auf den Ölfeldern Irans und die Zukunft des Imperiums bangen; die Einäugigkeit der Amerikaner, die alle Konflikte auf den Ost-West-Konflikt verengen und den Einfluss der Sowjets auf einen demokratischen Iran fürchten; die antikoloniale Empörung der Iraner, die zu Hunderttausenden unter der religiös überhöhten Parole "Das Öl ist unser Blut" für die Nationalisierung des schwarzen Goldes demonstrieren.

Vom CIA bezahlter Mob

Da war Mossadegh schon zum Helden der weltweiten antikolonialen Befreiungsbewegung aufgestiegen. Der Zusammenprall von Erster, Zweiter und Dritter Welt, wie der Sprachgebrauch damals war, und der entsprechenden Ideologien und Geisteshaltungen kulminiert am 19. August 1953 vor dem Haus des iranischen Premierministers, wo sich seine Anhänger und Gegner eine Schlacht liefern und schließlich ein vom CIA bezahlter Mob sein Haus stürmt. Kinzer beschreibt minutiös, wie sich die Situation zuspitzt, wie mit der Wahl von Churchill in England und Eisenhower in den USA Männer die Politik bestimmen, die weniger in diplomatischen als in militärischen Kategorien denken. Wie der Putsch vorbereitet wird, Netzwerke im Untergrund gesponnen, Offiziere, Journalisten, Politiker, auch einflussreiche Ayatollahs bestochen und falsche Informationen und Gerüchte unters Volk gebracht werden. Der erste Putschversuch geht schief, der zweite gelingt: Mossadegh wird verhaftet, vom geflüchteten, nun eiligst zurückgekehrten Schah vor Gericht gestellt und zu lebenslangem Hausarrest verurteilt.

Die Schah-Diktatur, die letztlich in die Islamische Republik mündet, wird fest installiert, Pressefreiheit, Versammlungsrecht abgeschafft und der berüchtigte Geheimdienst Savak installiert. Der CIA-Putsch war auch ein Probelauf. Da der Umsturz so erfolgreich amerikanische Interessen beförderte, galten von nun an "verdeckte Aktionen als billiges, effektives Mittel, um den Lauf der Weltgeschichte zu beeinflussen" - Kinzer verweist auf Guatemala, Chile, Kongo . . .

Das Buch ist in den USA 2003, also noch während der Präsidentschaft von George W. Bush, erschienen - auch um die Falken zu warnen: "Der Umsturz 1953, dem ein Jahr später ein Vertrag folgte, der den globalen Ölkartellen die Kontrolle über die Ölproduktion Irans gab, traumatisierte die iranische Öffentlichkeit, was bis heute nachwirkt." Die Paranoia des Regimes, das hinter jeder Kritik den CIA vermutet, ist dafür Beleg. Die Wirtschaftsblockade, die Unterstützung separatistischer Bestrebungen, die Bewaffnung revoltierender Stämme - all diese außenpolitischen Instrumente Washingtons zur Schwächung der Zentralregierungen haben sich über die Zeit so wenig geändert wie die antiimperialistische Rhetorik aus Teheran. Hier mag Präsident Obama einen Neuanfang setzen.

Eine Schwachstelle ist, dass Kinzer sich auf Mossadegh nur als öffentliche Figur konzentriert. Ausgespart bleibt der Denker. Mossadegh wollte moderne Institutionen, doch diese sollten in den iranischen Rahmen passen: Die Nachahmung Europas überfordere die Menschen. Mit der Einsicht, dass nicht nur Armut und Rückständigkeit, sondern auch der Verlust der Identität Probleme mit sich bringen, war Mossadegh dem Schah, der das Land mit Gewalt in die Moderne zwingen wollte, voraus. Es waren diese Ideen, die ihn zum Vorbild liberaler Demokraten machten, die noch 1979 auf den Anti-Schah-Kundgebungen Mossadeghs Bild hochhielten und ihn bis heute verehren.

Kinzer zeigt verborgene Schichten iranisch-amerikanischer Feindschaft, ist also Aufklärung im besten Sinne. Verwunderlich, dass der Verlag den Quellenapparat des Originals nicht aufgenommen hat - manches hätte man gerne nachgelesen. ELISABETH KIDERLEN

STEPHEN KINZER: Im Dienst des Schah. CIA, M16 und die Wurzeln des Terrors im Nahen Osten. Wiley Verlag, Weinheim 2009. 313 Seiten, 19,95 Euro.

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.158, Montag, den 13. Juli 2009 , Seite 16

 

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