Quelle: Deutschlandfunk
Steht
unter Druck: der iranische Präsident Machmud Ahmadinejad (Bild: AP)
Nach über 130 Tagen sind die beiden
im Iran inhaftierten deutschen Journalisten freigekommen. Für die Freilassung
werde Irans Präsident Ahmadinedschad von den Hardlinern des Regimes heftig
kritisiert, sagt Walter Posch von der Stiftung für Wissenschaft und Politik.
Anne Raith: Mehr als vier Monate waren die beiden deutschen
Reporter im Iran inhaftiert. Weihnachten durften sie kurz ihre Familien sehen,
doch alle weiteren Vermittlungsversuche waren bislang gescheitert. Bis zu
diesem Wochenende; nach über 130 Tagen sind die beiden nun wieder frei. Dafür
war Außenminister Westerwelle nach Teheran gereist, um sich mit dem iranischen
Präsidenten zu treffen, während im Land die Proteste gegen das Regime anhielten.
Darüber möchte ich nun mit Walter Posch von der Stiftung für Wissenschaft und
Politik sprechen. Guten Tag, Herr Posch.
Walter Posch: Guten Tag.
Raith: Kann man sagen, dass Ahmadinedschad
Deutschland erfolgreich erpresst hat?
Posch: Nein, das kann man so nicht sagen. Der
Erfolg Ahmadinedschads ist ein bescheidener. Es ist natürlich wichtig gewesen
für ihn, dass er sich mit dem deutschen Außenminister trifft, es ist wichtig
gewesen, dass Herr Salehi sich mit dem deutschen Außenminister trifft, aber wenn
man sich anschaut, wie unter den radikalen Unterstützern Ahmadinedschads er
selbst angegriffen wird und wie da oft nachgefragt wird, aufgrund welcher
Rechtslage jetzt denn die deutschen Journalisten freigelassen worden sind, dann
hat er da schon auch eine innenpolitische Hypothek auf sich genommen, nämlich
nicht jetzt vonseiten der allgemeinen Bevölkerung, sondern von mächtigen
Kreisen, auf die er auch angewiesen ist.
Raith: Das heißt, er konnte die Westerwelle-Visite
gar nicht so für seine Zwecke ausschlachten, wie hier kolportiert wird?
Posch: Ja. Auf der internationalen Ebene kann man
das so sehen. Aber im innenpolitischen Bereich ist Ahmadinedschad schon sehr
unter Druck gekommen.
Raith: Sie sprechen es an. Wie sehr steht der
iranische Präsident denn auch wegen der anhaltenden Proteste innenpolitisch
unter Druck?
Posch: Also die Proteste sind ein geringeres
Problem für ihn. Da haben sich verschiedene Gruppen schon selbst entschlossen.
Man fordert die Hinrichtung von den Oppositionsführern, man fordert härteres
Durchgreifen und so weiter. Da geht es mehr darum jetzt für Ahmadinedschad,
irgendwie noch die Ruhe herzustellen, aber vor allem die Ruhe auch und die
Kontrolle über den Sicherheitsapparat so zu behalten, dass es da nicht zu
eigenständigen Aktionen kommt und die Brutalität nicht überhandnimmt. Vonseiten
der grünen Bewegung oder vonseiten der Leute, die jetzt protestiert haben,
droht ihm relativ wenig Gefahr.
Raith: Von wo kommt denn die Gefahr? Von wo kommt
der Druck?
Posch: Für Ahmadinedschad kommt es von einem Teil
seiner Verbündeten im Bereich der politischen Rechten. Er hat bis jetzt sehr
erfolgreich seine gesamte Konkurrenz im rechtspolitischen Lager ausmanövriert.
Schauen Sie, er hat im Sommer 2009, als die Proteste gegen ihn gerichtet waren,
sich darum kaum gekümmert. Die Elemente im Regime, die die grüne Bewegung
massiv bekämpft haben, waren nur zum Teil von ihm kontrolliert. Viel wichtiger
war ihm offensichtlich, dass er sich innerhalb der politischen Rechten,
innerhalb seiner unmittelbaren politischen Konkurrenz durchsetzt, und das hat
er eigentlich Zug um Zug geschafft bis jetzt, aber das ist noch nicht fertig.
Raith: Kann man denn sagen, dass es eng für ihn
wird aufgrund des Drucks, oder würden wir damit zu weit gehen?
Posch: Ich glaube, dass das ein Politiker ist, der
unter Druck eigentlich am besten funktioniert. Je mehr Druck der bekommt, desto
mehr fällt ihm ein, wie er dagegen reagieren kann. Er hat die radikalsten
Vertreter des Sicherheitsapparats bereits entmachtet. Jetzt will ich nicht
sagen, dass er sie alle durch moderate Leute ersetzt hat, das wäre wohl sehr
vermessen, aber schon allein die Ernennung eines moderaten Außenministers
zeigt, dass ein Ahmadinedschad auch anders kann, und er gehört auch nicht zu
denen, die jetzt in Anbetracht der Demonstrationen dauernd von Hinrichtungen
und so weiter sprechen, sondern genauso wie einige andere Politiker eben nicht
das fordert, was die radikalsten Elemente verlangen, sondern die Einhaltung der
Rechtsstaatlichkeit.
Raith: Das heißt, die sogenannte grüne Revolution,
die auch Druck auf ihn ausübt, wird wieder ins Leere laufen?
Posch: Das glaube ich nicht. Ich glaube, dass
Ahmadinedschad manche Sachen schon früher verstanden hat. Ihm ist es
offensichtlich schon klar, dass es so einfach nicht weitergehen kann, dass
Druck allein eben nicht ausreicht. Er versucht ja auch, in der Ideologie des
Regimes einiges zu verändern. Ob ihm das gelingt, ob er überhaupt infrage
kommt, irgendetwas den Mittelklassewählern anbieten zu können, das steht auf
einem anderen Blatt. Dass er das versucht, das ist eindeutig.
Raith: Woran erkennen Sie das?
Posch: Schon allein, dass er ideologische Tabus
zerbricht, wie diesen berühmten Kyros-Zylinder, in dem nach iranischer Lesart
zum ersten Mal die Menschenrechte formuliert wurden, das ein Symbol der
politischen Nationalisten ist, der säkularistischen Nationalisten - unter ihm
wird der zurückgeholt. Dass er einen Büroleiter und stellvertretenden
Präsidenten hat, der vor einigen Jahren sogar von einer Freundschaft zum
israelischen Volk schwadroniert hat und von einer iranischen Schule des Islam
gesprochen hat, was wieder auf vollkommenen Widerstand des traditionellen
Klerus gestoßen hat, und solche Sachen. Dass er allerdings nicht die
Nachrichten bringt von Menschenrechten, von Einhaltung, mehr Demokratie,
Transparenz und so weiter, dass er dafür jetzt nicht der wirklich glaubwürdige
Vertreter ist, das stimmt natürlich. Aber es ist ein Unterschied zwischen ihm
und jenen Gruppen, die lautstark und das seit mindestens drei Jahren jetzt
Massenhinrichtungen verlassen, und die über ihre Netzwerke in den
Sicherheitsapparaten auch durchaus in der Lage sind, solche durchzuführen.
Raith: Sagt Walter Posch von der Stiftung für
Wissenschaft und Politik über die anhaltenden Proteste im Iran und die
Situation Ahmadinedschads. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Posch.
Posch: Bitte! Auf Wiederhören.