Vereidigung zum Präsidenten trotz
wochenlanger Proteste
Ahmadinedschad am Ziel
Demonstranten mit Tränengas vertrieben
/ EU entsendet nur den schwedischen
Botschafter zur Zeremonie
Von Rudolph Chimelli Paris
Irans umstrittener Präsident Mahmud
Ahmadinedschad ist am Mittwoch vor dem Parlament durch den Chef der Justiz, Ayatollah Mahmud Haschemi
Schahrudi, für eine zweite vierjährige
Amtszeit vereidigt worden. Einige europäische Länder schickten niederrangige Diplomaten, andere ihre Botschafter
zur Zeremonie. Deutschland, Frankreich,
Großbritannien und die USA verzichteten
auf Glückwunschschreiben an Ahmadinedschad. Mehrere hundert Menschen, die gegen die Vereidigung
protestierten, wurden mit Tränengas vertrieben.
Die Opposition wirft Ahmadinedschad
Wahlbetrug vor. Die früheren Präsidenten Mohammed Chatami und Haschemi Rafsandschani blieben
deshalb der Zeremonie fern, ebenso etwa
50 der 290 Abgeordneten. Auch die Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi, Mehdi Karrubi und
Mohsen Resai waren abwesend. Für die EU
nahm der schwedische Botschafter an der Zeremonie teil, was einige Politiker in Deutschland, vor allem der
Oppositionsparteien, kritisierten.
Schweden hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Spanien, Großbritannien und
Frankreich schickten ihre Botschafter
zur Vereidigung Ahmadinedschads, Deutschland wurde durch einen niederrangigen Vertreter repräsentiert.
Der iranische Präsident vermied scharfe
Töne. Er erklärte, Iran sei eine Nation
der Logik, des Dialogs und der konstruktiven Arbeit. "Die Grundlage unserer Außenpolitik sind konstruktive
Kontakte mit allen Nationen und unabhängigen Regierungen auf der Grundlage von Gerechtigkeit,
Achtung und Freundschaft." Auf die
Proteste gegen seine Wahl ging er nur indirekt ein. "Es ist nicht wichtig, wer für wen gestimmt hat. Wir brauchen
jetzt nationale Größe", sagte er
in der vom Fernsehen übertragenen Ansprache.
Ahmadinedschad hat zwei Wochen Zeit, um
die neue Regierung zu bilden, was nicht
einfach sein wird. Jeder Minister muss vom Parlament bestätigt werden, und der Präsident kann dort nur mit
70 sicheren Stimmen rechnen. Die Zahl
seiner Gegner unter den Abgeordneten ist etwa gleich groß. Die Haltung der Mehrheit wird jeweils von der
Haltung des Parlamentsvorsitzenden Ali
Laridschani abhängig sein, der ein entschiedener Gegner Ahmadinedschads ist. Schon vor vier Jahren,
als der Staatschef zum ersten Mal
antrat, lehnte das Parlament einige seiner Kabinettskandidaten ab.
Der bisherige Außenminister Manutschehr
Mottaki soll abgelöst werden. Als wahrscheinlichster Nachfolger gilt einer der bisherigen
Vizepräsidenten, Parvis Dawudi. Er ist
Wirtschaftswissenschaftler mit einem Diplom der Staatsuniversität Iowa und unterrichtet an der Universität
Teheran. Politisch gilt er als
Konservativer, auf ökonomischem Gebiet als Marktwirtschaftler. Auf einer Konferenz der Märtyrer-Stiftung
hatte Dawudi im Juli Irans Fortschritte
in der Atom- und Raketentechnik gerühmt und behauptet, derzeit seien 12 000 Zentrifugen zur Uran-Anreicherung
in Betrieb, während die Öffentlichkeit
von 7000 wusste.
Ahmadinedschad hat in den vergangenen
Tagen mehrfach angekündigt, er werde in
der Außenpolitik einen strikteren Kurs als bisher verfolgen. Mottaki hatte oft versucht, die provokantesten
Äußerungen des Präsidenten konzilianter
zu interpretieren. So sagte er vor dem Davoser Weltwirtschaftsforum im vergangenen Jahr, Iran bedrohe Israel
nicht und wolle keine Atomwaffen bauen.
Mit Spannung wird erwartet, ob der
Präsident bei der Regierungsbildung noch mehr Revolutionsgardisten als bisher zu Ministern ernennt. In
der alten Regierung waren 13 der 21
Minister ehemalige Pasdaran wie Ahmadinedschad selber. Auch eine Rückkehr des
Geheimdienstministers Gholam-Hussein
Mohseni-Edschei, den Ahmadinedschad Ende Juli wegen Meinungsverschiedenheiten entlassen hatte, wird für möglich
gehalten. Der Mann der harten Linie war
der letzte Kleriker im alten Kabinett.
Zur Parlamentssitzung ließ sich
Ahmadinedschad in einem Hubschrauber transportieren. Vor dem Parlament demonstrierten mehrere hundert
Gegner Ahmadinedschads, sie riefen
"Tod dem Diktator". 5000 Polizisten vertrieben die Demonstranten. Zeugen berichteten von
mehreren Verhaftungen. (Seite 4)
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Nr.179, Donnerstag, den 06. August 2009
, Seite 1