Der Rial verliert kräftig an Wert.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Währung stürzt ab
Hyperinflation erreicht den Iran

Von Jan Gänger

Die internationalen Sanktionen treffen den Iran hart: Die Währung Rial befindet sich im freien Fall, das Land wird von einer Hyperinflation heimgesucht. Der Druck auf Präsident Ahmadinedschad wächst. Doch sein Spielraum wird immer geringer.

Irans Führung wird nicht müde zu betonen, dass die vom Westen verhängten Sanktionen zum Scheitern verurteilt sind und dass dem ausländischen Druck niemals nachgegeben wird. Doch der rasante Verfall der Währung und die grassierende Inflation lassen daran Zweifel aufkommen.

Die USA und die Europäische Union verschärfen seit 2010 kontinuierlich die Sanktionen gegen den Iran. Sie treffen vor allem die wichtigen Ölexporte des Landes sowie die Banken, über die Außenhandelsgeschäfte finanziert werden. Ein Großteil der Devisenguthaben, die auf ausländischen Bankkonten liegen, ist eingefroren. Die Banken des Landes sind vom internationalen Zahlungsverkehr weitgehend abgeschnitten und behindern die Öl-Exporte in Länder, die noch mit dem Iran Geschäfte machen. Anfang der Woche beschloss die EU neue umfangreiche Sanktionen gegen den Finanzsektor, die Ölindustrie sowie die Schifffahrt des Landes.

 

Weil kaum noch Devisen ins Land kommen und der Geldkreislauf mit ausländischen Banken gestoppt ist, verliert die heimische Währung an Wert. Unternehmen und Privatleute tauschen ihre Rial in immer seltener werdende feste Währungen wie Dollar oder Euro, um entweder das Geld in Sicherheit zu bringen oder aber um Importe damit zu bezahlen. Da das immer mehr Iraner versuchen, beschleunigt sich der Absturz des Rial – ein Teufelskreis.

Innerhalb weniger Tage verlor der Rial zum US-Dollar ein Drittel seines Wertes, seit Ende vergangenen Jahres hat er bereits mehr als 80 Prozent eingebüßt. Während der offizielle Wechselkurs bei 12.260 Rial pro Dollar festgelegt ist, wird auf dem freien Markt mittlerweile etwa das Dreifache bezahlt. Diese Dynamik hat Ende September plötzlich an Fahrt gewonnen. Was den plötzlichen Absturz ausgelöst hat, ist nicht hundertprozentig klar. Schuld war möglicherweise die Ankündigung der Regierung, eine Wechselkursbehörde einzurichten, bei der Importeure von wichtigen Gütern Rial gegen harte Dollars eintauschen können. Doch dieser Schritt schürte die Ängste, dass nicht ausreichend Dollar zu Verfügung stehen – und löste einen Ansturm auf die begehrte Devise aus.

Starke Inflation

Der Wertverlust des Rial bedeutet, dass importierte Güter wie Nahrungsmittel oder Bauteile für Iraner immer teurer werden. Das befeuert die Inflation, die 2010 offiziellen Angaben zufolge bei 12,4 Prozent und im vergangenen Jahr bei 22,5 Prozent gelegen hat. Die allgemeine Preissteigerung wird ohnehin schon dadurch angetrieben, dass viele Produkte wegen der Sanktionen Mangelware sind.

Die Teuerung liegt nach offiziellen Angaben inzwischen bei 25 Prozent, sie ist aber aller Wahrscheinlichkeit viel höher. Steve Hanke von der renommierten US-amerikanischen John Hopkins Universität spricht von knapp 70 Prozent. "Wenn eine Währung kollabiert, kann man sicher sein, dass sich auch andere ökonomische Kennziffern negativ entwickeln", schreibt er in einem Beitrag für die konservative US-Denkfabrik Cato Institute. "Die Todesspirale des Rial löscht die Kaufkraft der Währung aus. Die Konsequenz ist, dass der Iran nun einen verheerenden Preisanstieg – Hyperinflation – erlebt."

Weniger martialisch ausgedrückt: Obwohl normalerweise nur wenige Menschen Rial in ausländische Währungen tauschen müssen, ist sein Wert ein guter Indikator für den Zustand der iranischen Wirtschaft. Sein dramatischer Fall hat die meisten alltäglichen Güter, also auch zahlreiche Lebensmittel, massiv verteuert. Außerdem vernichtet die Inflation die Ersparnisse der Iraner.

In der Bevölkerung wächst die Frustration. Es kommt zu Protesten, die auch in Gewalt umschlagen. Anfang Oktober setzte die Polizei in Teheran Tränengas gegen Demonstranten ein, unter denen auch Devisenhändler waren. Im Zuge der Proteste wurde der große Basar im Zentrum der Hauptstadt weitgehend geschlossen. Die meisten Geschäftsleute hatten ihre Läden aus Angst vor Zusammenstößen nicht geöffnet.

Führung gibt sich unbeugsam

Dazu kommt, dass der Regierung Geld aus den Öl-Exporten fehlt, der iranische Staatshaushalt ist zu zwei Dritteln von den Öl-Einnahmen abhängig. Der Internationalen Energie Agentur zufolge ist die tägliche Ölförderung im September auf das niedrigste Niveau seit 25 Jahren gefallen. "Wir stehen unter Druck, was den Haushalt angeht", räumte Präsident Mahmud Ahmadinedschad jüngst ein. Manche Haushaltsposten seien um ein Viertel gekürzt oder gar gestrichen worden, ergänzte er, ohne Einzelheiten zu nennen. Doch die Regierung ist wohl gezwungen, viele staatliche Subventionen zu kürzen, oder gar zu streichen – was die Preise weiter erhöhen wird.

Irans religiöser Führer Ayatollah Khamenei betont derweil, dass sein Land das Atomprogramm nicht aufgeben wird. Doch derzeit deutet vieles darauf hin, dass das Regime bald zu Kompromissen gezwungen sein könnte – waren doch steigende Lebensmittelpreise ein wesentlicher Auslöser für die Revolten in Libyen, Tunesien und Ägypten.